Der Weg in den Norden

Beginn eines neuen Abenteuers

Ich wollte eigentlich die Sturm-Saison auf Seven Pines bleiben, da das in der Regel eine aktive Zeit für Flagger ist, doch durch Corona ist auch auf den kanadischen Straßen deutlich weniger los. Als ich daher Ende Januar von meinem nächsten Host gefragt wurde, ob ich nicht schon früher - genauer gesagt, sobald wie möglich - kommen könnte, sprach ich mit meiner Gastfamilie und entschied mich kurzerhand, und mit ihrem Segen, mich auf den Weg in den Yukon zu machen.

Denn dort erwartet mich das nächste Abenteuer - ein Hundeschlittenkennel nördlich von Whitehorse.

Nach ein paar Tagen Vorbereitung packte ich also mein Hab und Gut in Lenny und machte mich auf die Reise. Da der Weg etwa 2.000 km lang war, plante ich eine mehrtägige Reise ein, und fand schon vorab Stellen, an denen ich über Nacht würde bleiben können. Ein Couchsufer in Fort St. John (~650 km von McBride) und verschiedene Motel-Optionen in Fort Nelson (~400 km von Fort St. John), Watson Lake (~400km von Fort Nelson) und auf der Strecke dazwischen. Da ich nie zuvor eine so lange Strecke alleine gefahren war, wollte ich sicher gehen, dass ich auch bei plötzlichen Wetterumschwüngen oder schlechten Straßenbedingungen einen Ort zum Rasten haben würde.

Aber das war gar nicht nötig.

Das Wetter war fantastisch - abgesehen von einer kurzen Schneefall-Episode und Glatteis auf dem Weg nach Fort St. John, und da es in den meisten Gebieten Kanadas in der letzten Zeit nicht viel geschneit hatte, war auch der Highway in problemlos fahrbarer Kondition.

Erster Tag - Weg zum Alaska-Highway

Der erste Teil der Strecke war, wie gesagt, McBride zu Fort St. John. 650 Kilometer mit zwei Überquerungen der Rockies, und einem der beeindruckensten Mondaufgänge, die ich je gesehen habe. Aus den Bergen hinunter in ein Tal, wo ein großer, käsegelber Vollmond langsam und wie zum Greifen nah über dem Pine River aufging.

Ich war am Morgen nach einem letzten Familienfrühstück aufgebrochen, hatte kurz vor Sonnenuntergang die Zeitzonengrenze gekreuzt (denn Fort St. John ist eine Stunde vor McBride, auch wenn es noch in BC liegt) und kam gegen 9 Uhr Abends bei meinen Couchsurfing-Hosts an, die mich mit einem warmen Abendessen, kaltem Bier und einem liebenswerten Hund begrüßten.

Sie gaben mir auch einige Tipps zu meinem weiteren Weg - Orte, an denen man günstiger tanken konnte, bequeme und zuverlässige Motels auf dem Weg und sehens- oder besuchenswerte Stätten zwischendurch.

Der Alaska-Highway

Nach einer ruhigen Nacht ging es dann am nächsten Tag weiter - falls das Fahren mich zu sehr erschöpfen würde, könnte ich Halt in Fort Nelson machen, aber ich erreichte den Ort schon am frühen Nachmittag, und lange vor Sonnenuntergang, und fühlte mich noch frisch genug, eine Weile weiterzufahren.

Und dahinter fing die Reise erst richtig an.

Seit Fort St. John war ich auf dem Alaska-Highway unterwegs, eine über 2.000 km lange Straße quer durch Kanada, die von den US-Amerikanern im zweiten Weltkrieg als strategischer Transportweg gebaut, und nach Ende des Krieges der kanadischen Regierung überlassen wurde.

Orte auf dem Weg liegen meist an einer Brücke und sind oft auch nach dem Fluss oder Bach benannt, der dort überquert wird - Sikanni, Buckinghorse, Prophet River, Toad River. “Ort” ist eher eine optimistische Beschreibung, es handelt sich dabei selten um mehr als zwei oder drei Häuser, zu denen auch immer eine Tankstelle und ein kleiner Laden gehören.

Aber was diese Straße, und diese Reise, für mich so besonders machte, war das absolute Gefühl der Freiheit, das mich auf dem Alaska-Highway erfasste. Denn nach Fort Nelson ist der nächste größere Ort Watson Lake, im Yukon. Und einerseits ist der Yukon kein Gebiet, in das viele Leute im Winter reisen, und andererseits muss derzeit jeder, der in den Yukon reist, dort für zwei Wochen Corona-Quarantäne machen - und dank dieser zwei Tatsachen war der Highway in großen Strecken einfach leer.

Teilweise fuhr ich ein, zwei Stunden am Stück, ohne dass mir ein einziges anderes Fahrzeug begegnete, weder entgegenkommend, noch mich überholend. Selbst wenn ich für ein paar Minuten auf dem Standstreifen anhielt, um ein Foto zu machen, war es, als wäre ich alleine in der Wildnis.

Dafür waren die Wildtierbegegnungen umso beeindruckender.

Denn neben den klassischen Kandidaten Elch und Wapiti-Hirsch, sah ich unter anderem einen Wolf, der mich vom Straßenrand aus unverwandt anstarrte, eine Handvoll Karibu, die in der Dämmerung für ein paar Minuten vor mir auf der Straße standen und mehrere Gruppen grasender Bisons, die im Winter den Highway dem tiefen Schnee als Reiseweg bevorzugen.

Und dazwischen natürlich immer die sich langsam wellenden Nadelwälder Nordkanadas, nur durchschnitten von zugefrorenen und überschneiten Flüssen und dem sich windenden, verlassen wirkenden Highway.

Ich brauchte keine zwei Tage, um zu verstehen, warum so viele der Country-Sänger von der Freiheit der Straße singen, und dieser Lieder doch nie müde werden.

Denn wirklich beschreiben kann man dieses Gefühl wahrscheinlich nie.

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