Prag - Die Mutter aller Städte

Erster Tag - Anreise

Da ich im ersten halben Jahr meines EFDs praktisch keinen Tag frei(genommen) hatte, habe ich nun noch jede Menge Urlaubstage, um ausgedehntere Städtereisen in die Nachbarländer zu unternehmen.

Unter anderem zieht es mich für ein langes Wochenende nach Prag, die Hauptstadt Tschechiens, in der ich vor Jahren mal im Winter für ein paar Tage zu Besuch war. Unterkunft ist für die erste Hälfte des fünftägigen Aufenthalts ein Couchsurfing-Host, für die zweite Hälfte ein Hostel, in dem sich dann auch ein paar andere meiner ungarischen Freiwilligen-Kollegen befinden.

Anreise erfolgt mit Flixbus - von Budapest gibt es eine direkte Verbindung, die Fahrt dauert knapp sieben Stunden und ich erreiche Prag im Laufe des frühen Abends.

Mein Host ist auf der anderen Seite der Stadt, und ich nutze das gute Wetter, um den Weg dorthin zu einem gemütlichen Abendspaziergang durch die Altstadt zu machen.

Zweiter Tag - Fensterstürze und Revolutionen

In vielen Städten gibt es Freiwillige, die, basierend auf Trinkgeld anstelle von Anmeldegebühren, Stadtführungen machen. Auch in Prag gibt es diese Touren, insgesamt drei verschiedene, und ich schließe mich spontan der “Neue Stadt”-Tour an.

Der Name ist, meines Erachtens, nicht ganz passend. Zum einen ist auch die Neue Stadt größtenteils schon über 700 Jahre alt, zum anderen geht es mehr um die neuere Geschichte von Prag - insbesondere um die Zeit des Kommunismus und die Besatzung durch die Nationalsozialisten. Auch einige Kunstwerke der Moderne stehen auf der Liste der zu besuchenden Stationen, darunter zum Beispiel der rotierende Franz-Kafka-Kopf beim Quadrio Einkaufszentrum.

Der Teil der Tour, der mich am meisten fasziniert hat, war allerdings die Erzählung über die Prager Fensterstürze. Da es davon mittlerweile erstaunlich viele gibt, wird dabei zwischen wichtigen und weniger wichtigen Fensterstürzen unterschieden - Entscheidungspunkt, ob ein Fenstersturz wichtig war, ist, ob er einen Krieg ausgelöst hat oder nicht.

Eine Tour wie diese ist allerdings nicht tagesfüllend, und daher treffe ich mich nachmittags mit ein paar Reisenden, die derzeit ebenfalls alleine in Prag sind und genieße den Sonnenschein im Letná-Park.

Dritter Tag - Der Golem und die Altstadt

Am frühen Morgen sind auch drei andere Freiwillige aus Ungarn in Prag eingetroffen und wir treffen uns kurz vor elf, um gemeinsam die zweite Stadttour zu machen - dieses Mal durch die Altstadt und das Judenviertel.

Da ich schon ein paar Mal durch den Stadtkern gelaufen bin, sind mir die Orte nicht fremd, die Geschichten hinter einigen der Gebäuden jedoch schon. So gibt es eine Kirche, in der neben dem Eingang eine alte menschliche Hand hängt, die einem Dieb gehörte, der versuchte, die Kirchenschätze zu stehlen; Häuser im Kubismus-Stil und die älteste noch aktive Synagoge Europas, in der sich angeblich die Reste des Golems befinden sollen.

Der Golem soll der Sage nach die jüdische Bevölkerung Prags vor Unheil und feindlich gesinnten Nicht-Juden schützen und nachts die Straßen patrouillieren. Seine Aufgaben werden auf einen Zettel geschrieben und unter seine Zunge gelegt. Da er einmal außer Kontrolle geraten ist, wurde der Zettel entfernt und der Körper in der Synagoge versiegelt, doch als man die Gruft wieder aufbrach, war dahinter nichts zu finden. Daher sagt man, dass der Golem noch immer nachts durch die Straßen zieht, um die Prager Juden zu schützen.

Nach der Tour rasten wir für eine Weile im Hostel, da die anderen die Nacht über Bus gefahren sind und entsprechend wenig schlafen konnten. Direkt um die Ecke ist ein kleines tschechisches Lokal, in dem wir später zu Abend essen und danach für ein Bier oder zwei in die Keller-Kneipen ziehen.

Vierter Tag - 1000 Jahre Architektur

Da die anderen drei zu müde sind, um früh aufzustehen und das Wetter nicht ganz so vielversprechend ist, mache ich die dritte Tour in die Prager Burg alleine.

Schon die Einführung, bevor wir den Berg erreichen, ist interessant, denn die Prager Burg ist kein einzelnes Gebäude, sondern ein Komplex aus verschiedensten Gebäuden verschiedenster Epochen - oder, kurz gesagt, 1000 Jahre Architektur in einem. Die nächtliche Beleuchtung wurde von Mick Jagger persönlich bezahlt, der mit den Rolling Stones als eine der ersten Bands nach dem Mauerfall in Tschechien aufgetreten ist und ein guter Freund des damaligen Präsidenten wurde.

Das auffallendste Gebäude der Burg ist der Veitsdrom, eine gothische Kathedrale, deren Bau 1344 angefangen und erst 1929 beendet wurde, aber der beeindruckenste Ort ist die Magische Treppe im Bastionsgarten. Die Stufen sind so geformt dass man, wenn man in der Mitte der Treppe steht und in Richtung der nach oben führenden Stufen spricht, den Schall von allen Seiten zurückbekommt und das Gefühl hat, in einem riesigen Auditorium zu stehen.

Da es mittlerweile doch recht ordentlich regnet, treffe ich mich mit den anderen Freiwilligen wieder im Hostel, wo wir Karten spielen, ehe ich für ein klassisches Musikkonzert in einer der Kirchen zurück in die Altstadt gehe.

Fünfter Tag - Kuscheln mit Katzen

Mit dem Sonntag ist auch schon mein letzter Tag in Prag gekommen. Ich treffe mich mit einer tschechischen Freundin, die in der näheren Umgebung wohnt aber die Tage davor keine Zeit hatte. Wir gehen gemeinsam nach Vyšehrad, um dort den alten Friedhof zu besuchen und die Aussicht über die Stadt zu genießen.

Das Wetter spielt wieder mit, aber es ist trotzdem deutlich kälter als die Tage davor, und wir ziehen uns nach einer Weile für eine heiße Schokolade in ein Katzen-Café zurück. Das ist ein Café, in dem Katzen frei herumlaufen um gekuschelt und gestreichelt zu werden.

Mit guter Konversation vergeht die Zeit dabei viel zu schnell und schon bald müssen wir beide zu den Bussen, sie zurück zu ihrem Heimatort und ich zurück nach Budapest. So heißt es - meines Erachtens viel zu früh, es gibt doch noch so viel zu entdecken - “Na shledanou, Prag!”, Goldene Stadt der hundert Türme.

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