Ostern im Kloster

Esztergom, ehemalige Königsstadt Ungarns, ist das Zentrum der Katholischen Kirche Ungarn. Neben der Kathedrale auf dem Schlossberg - die größte Kathedrale in ganz Ungarn - gibt es noch eine Vielzahl weitere Kirchen und Kapellen, obwohl die Stadt nur knapp 30.000 Einwohner hat.

Und im Zentrum der Stadt liegt ein Franziskanerkloster mit Jungeninternat, das jedes Jahr zu Ostern seine Pforten öffnet und Familien dazu einlädt, mit ihnen die Feiertage zu verbringen.

Sebastian, mein Teamleiter, ist selbst auf diese Klosterschule gegangen und kommt seit vielen Jahren zu Ostern immer wieder hierhin zurück. Und er erlaubt es seinen interessierten Freiwilligen, ihn und Zsofi auf diese Reise zu begleiten.

Nagycsütörtök - Gründonnerstag

Da die erste Messe schon um 18:00 Uhr startet, machen wir uns im Laufe des Nachmittags auf den Weg an die Slowakische Grenze, die Reise von Velence nach Esztergom dauert etwa zwei Stunden. Linda ist über Ostern zu ihrer Familie gefahren, aber wir haben noch eine weitere Freiwillige, Isabelle aus Frankreich, und so machen wir uns zu viert auf zum Kloster.

Nachdem wir unsere Habseligkeiten in die Schlafräume gebracht haben, begrüßen wir erstmal die anderen Gäste. Die meisten kennen Sebastian und Zsofi schon von den letzten Jahren, und wir werden allen Leuten vorgestellt. Leider sprechen nur wenige Englisch, aber die Stimmung ist trotzdem großartig.

Der abendliche Gottesdienst ist eine Erinnerung an das letzte Abendmahl, beginnt mit Orgelmusik und endet mit Stille, in der die in der Kirche verteilten Altare von allen Verzierungen befreit werden. In andächtigem Schweigen machen wir uns dann zum Speisesaal, bevor es - zumindest für mich - recht früh zum Schlafen geht.

Nagypéntek - Karfreitag

Noch vor Sonnenaufgang stehe ich am nächsten Morgen dann im Klosterhof. Denn für den frühen Morgen ist eine Wanderung in der Dämmerung geplant, die verschiedenen Kreuzen und Betstätten in der Stadt und dem Umland folgt. Dieselbe Wanderung wird auch am Nachmittag nochmal angeboten, aber die melancholische Stimmung ist jetzt am Morgen deutlich stärker, besonders, weil wir nur eine kleine Gruppe von nicht einmal zwanzig Leuten sind.

Der Kreuzweg dauert fast drei Stunden, mit einer kleinen Rast auf dem nahegelegenen Berg Vaskapu, auf dessen Spitze eine Marienstatue steht. Wir erreichen das Kloster kurz vor Beginn des Lamentatio und können uns danach beim Frühstück stärken.

Für die ungarischen Gäste gibt es Meditationstreffen, an denen Isa und ich jedoch nicht teilnehmen können. Daher verbringen wir den Tag in der Sonne, streunern durch die Stadt, lesen und erzählen uns gegenseitig Geschichten.

Auch Karfreitag ist abends großer Gottesdienst, in dem der Kreuztod von Jesus bedacht wird. Sebastian und ich haben danach noch eine interessante Diskussion über Unterschiede zwischen der protestantischen und der katholischen Osterfeier, weil im Evangelischen Glauben der Karfreitag der höchste Feiertag im Kirchenjahr ist, hier in Ungarn aber Samstagabend oder Sonntagmorgen deutlich wichtiger ist.

Nagyszombat - Karsamstag

Auch Samstagmorgen ist vor dem Frühstück Lamentatio in der Kirche. Gesungen werden über die gesamte Osterzeit vor allem gregorianische Stücke, und da die gesamte Liturgie in einem Buch niedergeschrieben ist, von dem es pro Sitzbank mehrere gibt, kann ich den Gottesdiensten nicht nur folgen, sondern die Lieder auch mitsingen - ich verstehe zwar nur wenig von dem, was ich singe, aber es klingt trotzdem toll

Sebastian meint im Nachhinein, dass ich eine sehr schöne Aussprache habe, was mich ziemlich stolz macht. Auf Ungarisch zu Singen wenn man den Text vor sich hat ist aber auch deutlich einfacher als eine Konversation zu führen.

Am Abend gibt es ein frühes Abendessen und dann den langen und feierlichen Auferstehungsgottesdienst. Im Hof wird ein Osterfeuer entfacht, an dem die neue Kerze des Kirchenjahres angezündet wird, die dann in einer ruhigen Prozession, mit Gesang und allem, in die Kirche getragen wird.

Der Gottesdienst dauert über drei Stunden und enthält neben der Auferstehungsfeier und einem alten ungarischen Te Deum auch eine Taufe. Am Ende bin ich total erschöpft, aber statt schlafen zu gehen, gibt es noch ein Mitternachts-Festmahl mit Ei, süßem Zopf und Schinken. Außerdem darf, da nun die Fastenzeit wieder vorbei ist, wieder Alkohol getrunken werden und auf allen Tischen tauchen Weinflaschen auf.

Ich verabschiede mich trotzdem recht bald, da sich bei mir das Ostergefühl noch nicht wirklich eingesetzt hat - vielleicht bin ich aber auch wirklich nur sehr müde.

Húsvétvasárnap - Ostersonntag

Sonntagmorgen ist das Frühstück vor dem Gottesdienst. Die meisten Leute kommen erst nach und nach in den Speisesaal, und mehr als eine Person sieht sehr verkatert aus. Der Gottesdienst ist entsprechend besonnen, aber feierlich, und kurz danach machen sich die ersten auch schon wieder auf den Heimweg.

Wir bleiben noch bis zum Mittagessen und gehen danach ins nahegelegene Dobogókő, einem Dorf in den Pilisbergen mit toller Aussicht aufs Umland und die Donau, das zum Spazieren förmlich einlädt.

Aber auch die anderen sind nach dem Gelage des Vorabends erschöpft und so machen wir uns nach einer Weile wieder auf den Weg zurück nach Velence, das wir am frühen Abend dann auch erreichen.

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